Wolf Rosenberg im Südwest-Radio
		... Arthur Schnabel pflegte zu sagen, das Problem bei Haydn Sonaten sei: "Für Kinder sind sie zu leicht, 
		und für junge Erwachsene sind sie zu schwer." Damit hat er tatsächlich zwei Nägel auf den Kopf getroffen:
		sie sind technisch so leicht, dass die großen Klavierlöwen sie meiden, gehören andererseits zu den musikalisch 
		schwersten Stücken der Literatur, und nur wer das weiß kann sie bewältigen. Angelika Nebel gehört offenbar zu 
		denen, die die Probleme sehen, die z.B. das jeweils richtige Tempo erfassen, das dem  Interpreten bei Haydn 
		weniger Spielraum lässt, als bei Beethoven oder Brahms, die agogische Abweichungen auf ein Minimum reduzieren, die die 
		Bassfiguren im Hauptthema des ersten Satzes nicht, wie ich es schon von Starpianisten gehört habe, als Begleitfiguren 
		spielen, sondern als zur Melodie gehörig usw.
		
		Dass Angelika Nebel eine vorzügliche Haydn-Interpretin ist, hat gewiss auch etwas mit ihrem weitgespannten, die 
		Musik der heutigen Avantgarde mit einschließendem Repertoire zu tun. Adorno hat gesagt: "Wer Boulez begreift, versteht 
		mehr von Bach" und so könnte ich jetzt, ebenfalls mit Alliteration sagen: Wer Halffter begreift, versteht mehr 
		von Haydn.